Soja nutzen
Einstieg
Soja geht uns alle an. Was heißt das? Wenn wir im Supermarkt auf die Inhaltsstoffe verschiedenster Produkte schauen, wird schnell klar, dass viele davon Soja enthalten. Ob in Lebensmitteln, Kosmetika oder Medikamenten, Soja ist ein versteckter Bestandteil vieler täglicher Konsumartikel. So ist etwa Sojalecithin ein Emulgator, der in Schokoladen-Produkten enthalten ist. Ein besonderes Beispiel ist das Fleisch von Tieren, die mit Sojaschrot gefüttert wurden. Und als Treibstoff rückt Soja als sogenannter Biosprit ins Blickfeld.
Am offensichtlichsten ist Soja aber in Lebensmitteln wie Sojamilch, Tofu oder gerösteten Sojabohnen oder frisch als Edamame oder Sojasprossen. Diese sind insbesondere in der veganen Küche populär, kommen aber auch immer mehr in den Alltagen einer breiten Bevölkerung an, die eine eiweißreiche Ernährung jenseits von tierischen Produkten sucht. Während die Tierfutterproduktion ein wesentlicher Treiber des Klimawandels ist, betrachten viele den direkten Konsum von Soja als Lebensmittel als Beitrag zu einer klimafreundlichen, da tierproduktfreien, eiweißreichen Ernährung. Es geht hier um die Darstellung der vielfältigen und oftmals ambivalenten Nutzungen von Soja.
Diese Grafiken sind Beispiele für die immer wiederkehrende Darstellung des Verhältnisses des Nährwerts und des Eiweißgehalts von sojabasierten Lebensmitteln im Vergleich zu tierischen Produkten. Gerade in als krisenhaft empfundenen Zeiten (Krieg, Ernährungs- oder Klimakrise) wird die Ernährungseffizienz von Soja-Lebensmitteln hervorgehoben.
Wie vielfältig Sojaprodukte und Produkte, die Soja enthalten, sind, zeigte sich auch in unserem Online-Sammelaufruf #SojaFromHome während des ersten Lockdowns der Covid19-Pandemie 2020. Wie auch andere Hashtags, etwa #MuseumFromHome, haben wir dazu aufgerufen, Bilder, Eindrücke oder wilde Assoziationen unter dem Hashtag #SojaFromHome auf den Kanälen des Museums zu posten. Entstanden ist eine vielfältige, lustige, aber auch zum Nachdenken anregende Sammlung, die zeigt, wie divers die Pflanze ist und wo sie überall drinsteckt.
Wie schwierig es ist, Produkte, die Soja enthalten, zu vermeiden, wird besonders dann deutlich, wenn eine Sojaunverträglichkeit oder eine Sojaallergie vorliegt. Gerade dieser Punkt veranlasst Pflanzenzüchter*innen immer wieder zu Bemühungen, die allergenen Inhaltsstoffe in Sojabohnen zu reduzieren.
Soja oder nicht Soja
In historischen Quellen fällt immer wieder auf, dass Sojaprodukte in Analogien zu tierischen Produkten verstanden werden und nicht als „eigenständiges“ Lebensmittel. So sprachen auch die österreichischen Soja-Vorreiter Franz Anton Brillmayer und Friedrich Haberlandt u.a. von Sojamilch oder Sojatrockenkäse. Wohl auch durch diese ähnlichen Begrifflichkeiten soll die Akzeptanz auf dem österreichischen Markt gesteigert werden – gleichzeitig gibt es aber tatsächlich gewisse Parallelen in der Produktion. Aktuell führen diese Analogien zu Streitigkeiten mit dem milchproduzierenden Gewerbe. So dürfen nach einem EuGH-Urteil von 2017 nur Produkte als „Milch“ bezeichnet werden, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren stammen. Mit solchen Rahmungen werden zum einen klar Positionierungen im Lebensmittelbereich markiert, zum anderen weist dies aber auch auf Veränderungen im konkreten Ernährungsverhalten und in den damit verbundenen Märkten hin.
In dieser historischen Quelle von Franz Anton Brillmayer zeigt sich die „Übersetzungsleistung“ deutlich, wenn von Sojapflanzenkäse, Sojamilch, Sojafleisch die Rede ist. Auch Friedrich Haberlandt nutzte 1878 in seinem Buch „Die Sojabohne“ Milchprodukt-Analogien und schrieb von Käse und Quark ähnlichen Speisen. In Anbetracht dieser Verknüpfung von Sojaprodukten mit tierischen Produkten ist es wenig verwunderlich, dass Sojaprodukte als Konkurrenz zu Milch- und Fleischprodukten gesehen werden.
Die Anlehnung von Sojaprodukten an Milchprodukte geschieht häufig durch ähnliche Aufmachung, Verpackungen und Abbildungen. Erst auf den zweiten Blick wird oft deutlich, dass es sich um ein veganes Produkt handelt. Die Liste der Inhaltsstoffe, die das Produkt nicht enthält, ist lang und mittlerweile ein Merkmal, durch das sich Produkte von anderen abheben sollen.
Soja Trouble
Mit Soja werden ganz unterschiedliche Geschichten erzählt, die oftmals stark generalisietr sind. Mal ist die Bohne aufgrund ihres hohen Eiweißgehalts die Lösung im Kampf gegen den globalen Hunger oder für eine umweltfreundliche, weil fleischlose, eiweißreiche Ernährung. Dann wird sie als relevanter Faktor in der Klimakrise benannt. Mal wird sie als gesundheitsbringende Pflanze gegen allerlei Beschwerden, z.B. in den Wechseljahren, gefeiert, mal als „Männerbrüste“ erzeugendes Lebensmittel verteufelt. Es gibt also allerhand Diskussionen und jede Menge Online-Foren, in denen eine Ernährung mit und ohne Soja thematisiert wird. Über Ernährung werden Gruppenzugehörigkeiten hergestellt oder Geschlechterzuschreibungen erzählt. Und wenn Fleisch in unserer Gesellschaft ein wichtiges Mittel ist, um Männlichkeit herzustellen (wer grillt das größte Steak?), dann ist es nicht verwunderlich, dass eine fleischlose Alternative wie Tofu weiblich konnotiert und als „Frauenlebensmittel“ verstanden wird.
Dieses Giveaway der SPÖ-Frauenorganisation im Nationalrats-Wahlkampf 2019 enthält eine Mischung aus Sojabohnen, Kürbiskernen und Sonnenblumenkernen. Die Zusammensetzung aus eiweiß- und damit energiereichen Inhalten kann als „Powerfood“ und damit als Beitrag zu weiblichem Empowerment gelesen werden.
Soja-Energie und Treibstoff
Die Nutzung von Soja in der Herstellung von Kraftstoffen ist ein weiteres kontroverses Thema. Insbesondere von NGOs wird immer wieder beklagt, dass Biokraftstoffe nicht ökologisch seien. Was meinen sie damit? Die Argumentation ist hier ähnlich wie beim Futtermittel: Durch den großflächigen Anbau werden Wälder abgeholzt oder andere Getreidesorten verdrängt. In Monokulturen wird Biodiversität eingeschränkt und Lebensräume für Menschen und Tiere müssen den riesigen Anbauflächen weichen. Diese Debatte ist nicht neu, sie wurde u.a. schon vor Jahrzehnten über Raps und Mais geführt. Die Folgen von sogenanntem Biosprit für Mensch und Umwelt sind weitreichend. Nichtsdestotrotz ist es ein nachwachsender Kraftstoff und wird von vielen als zukunftsweisend empfunden.
Besonders auffällig in der Darstellung in „auto touring“ ist die Verbindung von Soja mit Technik und Wissenschaft. Es geht hier nicht darum, eine gesellschaftliche Lösung zu finden, um den CO²-Ausstoß zu verringern – im Sinne alternativer Mobilitätskonzepte. Es geht um technisch-wissenschaftliche Lösungen der Probleme unserer Zeit, ohne allzu viel an unserem Alltag ändern zu müssen.
Der Vergleich des menschlichen Motors mit dem mechanischen Motor aus der historischen Quelle gewinnt in diesem Kontext nochmal eine andere Bedeutung: Während Brillmayer darauf aufmerksam machen möchte, dass auch der Mensch Energie benötigt und Soja ein wichtiger Energielieferant sei, ging es ihm damals noch nicht um die Verwendung von Soja als Kraftstoff für mechanische Motoren. Auch heute zeigt sich, dass rund um Soja – etwa in der Technologisierung von Anbau und Ernte oder in der Gentechnik – ein Fortschrittsversprechen im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verbesserung enthalten ist.
Weiterführendes
#SojaFromHome auf dem Soja-Blog: www.musojam.blog
Greenpeace zu Biosprit: www.greenpeace.de
Deutsche Umwelthilfe zu Soja und Billigfleisch: www.duh.de
ORF-Artikel zu Soja-Lecithin: www.orf.at