Pflanze und Anbau
Einstieg
Die Sojabohne ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Bohne. In Japan und China beispielsweise wird sie seit langem als Nutzpflanze angebaut. Aber auch im Rest der Welt hat sie einen beachtlichen Boom erlebt, nicht zuletzt aufgrund diverser Lebensmittel- und Wirtschaftskrisen. So hat u.a. die BSE-Krise ab Ende der 1980er Jahre dringlich zur Suche nach einer eiweißreichen Alternative zur Tierfütterung geführt. Denn einer der wichtigsten Vorzüge der Sojabohne ist, dass sie einen sehr hohen Eiweißgehalt aufweist, was sie sowohl für die Futtermittel- als auch für die Lebensmittelproduktion attraktiv macht. Aufgrund des hohen Ölgehalts spielt die Bohne auch in Kosmetika, Lebensmitteln oder als Treibstoff eine Rolle. In Österreich hat die Bohne ein erhebliches Wachstum erlebt und ist mittlerweile die viertwichtigste Feldfrucht. 2019 wurden das erste Mal mehr als 200.000 Tonnen Soja geerntet. Eine globale Besonderheit dabei ist, dass in Österreich der Anbau von Soja für Futtermittel und für Lebensmittel recht ausgeglichen ist.
Diese Skulptur einer Melkszene aus der Dauerausstellung des Volkskundemuseum Wien diente auch schon zur Zeit der Aufnahme in die Sammlung einer idealisierenden Sicht landwirtschaftlicher Arbeit. Die heutige Tierhaltung, die auf schnelles Wachstum ausgerichtet ist, was u.a. durch eiweißreiches Sojafutter ermöglicht wird, hat noch weniger mit dieser Szene gemein. Verkürzt gesagt, ist billiges Fleisch ohne sojabasiertes Tierfutter heute nur schwer denkbar. Der hohe Bedarf an proteinreichem Futtermittel hängt direkt mit unserem hohen Konsum von Fleisch- und Milchprodukten zusammen. Dies erzeugt nicht nur eine Abhängigkeit von der globalen Sojaproduktion, sondern hat auch fatale Folgen für das Klima.
Die Produktion von Sojabohnen konzentriert sich weltweit insbesondere auf Nord- und Südamerika. Dabei sind die USA und Brasilien als größte Flächenländer auch die größten Produzenten. Für das Schaffen riesiger Anbauflächen und Soja-Monokulturen werden, etwa in Brasilien und Argentinien, Wälder gerodet. Die indigene Bevölkerung wird vertrieben und die Biodiversität verringert sich dramatisch. Das geerntete Soja wird vor allem als Futtermittel in die ganze Welt verschifft.
Die Europäische Union importiert sehr große Mengen an Soja für die Tierfütterung aus den USA und Südamerika, da innerhalb der EU nicht ausreichend proteinreiche Pflanzen angebaut werden. Diese Importabhängigkeit ist immer wieder Thema der EU-Eiweißstrategie. Der Anbau von Soja in Europa hat sich seit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2013 bis in das Jahr 2018 so auch verdoppelt. Die größten Anbauländer sind Italien, Frankreich und Rumänien.
Die Grafik schlüsselt auf, wie Soja weltweit genutzt wird. So wurden zwischen 2017 und 2019 77 % der Produktion als Tierfutter verwendet, der überwiegende Anteil davon für Geflügel und Schweine. 19,2 % wurden als Lebensmittel verwendet, davon der Großteil in Form von Sojaöl. Immerhin noch 3,8 % gingen in die Industrie und davon 2,8 % in die Verwendung als Biodiesel.
Der Anbau von Ölsaaten wie Sojabohnen und Ölpalmen ist eine der Hauptursachen für die Abholzung von Wäldern in tropischen Regionen. Sie wird nur übertroffen von der Abholzung zur Errichtung von Weideflächen für Rinder. Die Grafik zeigt die Zahlen von 2005 bis 2013.
Kulturpflanze Soja
Sojapflanzen sind Hülsenfrüchtler. Diese können mit bestimmten Bakterien eine Symbiose eingehen. Hierzu bildet die Sojapflanze an ihren Wurzeln kleine Knöllchen für die Knöllchenbakterien aus. Bei der Photosynthese gewinnt die Sojapflanze Zucker, den sie dann an die Knöllchenbakterien weitergibt, umgekehrt geben die Knöllchenbakterien der Sojapflanze Stickstoff. Stickstoff ist sehr wichtig für die Pflanze. Für Landwirt*innen ist dies praktisch, weil sie keinen Stickstoff düngen müssen, und Menschen oder Tiere können sich über den hohen Eiweißanteil in den Bohnen freuen, der durch die hohe Stickstoffmenge aus den Knöllchenbakterien ermöglicht wird.
Zucht und Anbau in Österreich
Der frühe österreichische Soja-Experte und Züchter Franz Anton Brillmayer schrieb schon 1929 in der „Wiener Landwirthschaftlichen Zeitung“ von Anbauversuchen in verschiedenen europäischen Regionen und den Vorteilen der Sojapflanze im Einsatz als Tierfutter, Lebensmittel und Öllieferant. Auch in der aktuellen Pflanzenzüchtung steht der Nutzen der Pflanze für Mensch und Tier durch die eiweißreiche Nährstoffverteilung in der Pflanze im Vordergrund. Die Zuchtziele und die damit verbundenen Diskussionen drehen sich um Ertrag, Nutzung, Standortanpassung, biologischen und konventionellen Anbau und den Einsatz von Gentechnik, Düngemitteln und Chemikalien zur Insekten- und Unkrautvernichtung.
Franz Anton Brillmayer beantwortet bereits 1929 in der Wiener Landwirthschaftlichen Zeitung eine Anfrage zur Sojabohne. Er berichtet von seiner Zuchtstation in Platt/Niederösterreich und Vermehrungs- und Versuchsfeldern im damaligen Bundesgebiet. Der feldmäßige Sojaanbau finde seines Wissens nur in Ungarn statt, Sojabohnen wurden dort zur Schokoladenerzeugung benutzt. Er erwähnt außerdem u.a. den Anbau in Istrien und die dortige Verwendung der Bohne als Kaffeeersatz. Auch hier hebt Brillmayer die Vorteile der Sojabohne für die Tierfütterung hervor.
In diesem Video erzählt der Biobauer Leopold Pischinger aus dem Weinviertel in Niederösterreich über seinen Zugang zu Soja. Mit seiner Schwester Franziska Pischinger betreibt er einen Bio-Bauernhof und kann als einer der Pioniere des aktuellen Bio-Soja-Anbaus in Österreich verstanden werden. Er blickt auf die Anfänge 1979 zurück, berichtet davon, wie wichtig Stickstoffsammler wie die Sojapflanze für den Biobetrieb sind, um von der Düngemittelindustrie unabhängig zu sein, und schildert seine aktuellen Erfahrungen mit dem Sojaanbau. Außerdem weist er auf die Anbauversuche von Brillmayer hin, die in Vergessenheit geraten sind.
Neben globalen Zusammenhängen sind für uns auch die Anbaubedingungen in Österreich und Wien interessant, da sich hier einige Besonderheiten zeigen. In Österreich wächst Soja in den Maisregionen und ist Teil der Fruchtfolge. Soja steht mittlerweile auf Platz vier der Anbauflächen hinter Mais, Weizen und Gerste. Der Anbau von Bio-Soja in Österreich lag 2020 bei 38%, wobei der Anteil in Niederösterreich und im Burgenland bei über 50% lag. Allein in Wien ist die Anbaufläche von 92 Hektar im Jahr 2018 auf 310 Hektar im Jahr 2021 gestiegen.
Gentechnik
Gentechnisch verändert oder nicht? Das ist nicht nur eine botanische und agrarpolitische Frage, sondern auch eine sozialpolitische. So waren 2019 74 Prozent des globalen Sojas gentechnisch verändert. Hauptziel dieser Veränderungen ist, Soja gegen Insektizide und Pflanzengiftstoffe wie Glyphosat resistent zu machen. Diese können dann ohne Schaden für die Sojapflanze versprüht werden. Die Folgen für die Gesundheit der Arbeiter*innen und Anwohner*innen sowie für die Umwelt sind jedoch schwerwiegend. In der EU ist der Anbau von gentechnisch verändertem Soja verboten, der Import von Tierfutter, das aus gentechnisch verändertem Soja hergestellt wurde, jedoch nicht. Österreich hat 1997 mit dem erfolgreichen Gentechnik-Volksbegehren ein Zeichen zur Absage an gentechnisch verändertes Saatgut gesetzt. Die Antigentechnik-Proteste waren am Anfang vor allem nationale Bewegungen. Erst in einem zweiten Schritt wurden diese Anliegen auch auf europäischer Ebene verfolgt. Mit der neuen Generation der Gentechnik, wie der Genschere CRISPR, werden zukünftig neue Fragestellungen auf uns zukommen.
In dieser Grafik zeigt der Verein Soja aus Österreich auf, dass die Sojaproduktion in Österreich zu 100% gentechnikfrei ist; je 50% davon werden als Lebensmittel und als Futtermittel verwendet. Diese Zahlen sagen jedoch nichts darüber aus, wie viel Soja insgesamt, durch Importe, auch in Österreich an Tiere verfüttert wird. Importiertes Soja muss außerdem nicht gentechnikfrei sein.
20 Jahre Gentechnik-Volksbegehren © Global 2000
Global 2000 hat 2017 dieses Video zum 20-jährigen Jubiläum des erfolgreichen Gentechnik-Volksbegehrens veröffentlicht. Die Protagonist*innen im Video erzählen von den Anfängen bis hin zur Bildung erfolgreicher Allianzen von Umweltschützer*innen mit Landwirt*innen, Tierschützer*innen sowie der katholischen und evangelischen Kirche. Dieses starke Bündnis hat letztlich zur hohen Resonanz des Volksbegehrens beigetragen.
Wesentlicher Faktor für den Erfolg des Gentechnik-Volksbegehrens war auch die Unterstützung durch Prominente und auflagenstarke Tageszeitungen (Kronen Zeitung, Täglich Alles). Die bleibende Frage ist, was diese sehr unterschiedlichen Gruppen vereint hat. Der überraschend große Zuspruch in den 1990er Jahren, kurz nach dem EU-Beitritt, muss auch im Kontext nationaler und anti-globaler Bewegungen gesehen werden.
Weiterführendes
Papier zur EU-Eiweißstrategie: www.eur-lex.europa.eu
Blog-Eintrag zur Sojapflanze: www.musojam.blog
Johann Vollmann über die genetischen Ressourcen der Sojabohne: www.musojam.blog
Hanna Zedlacher und Werner Zollitsch über Soja als Tier-Futtermittel: www.musojam.blog
Soja aus Österreich zu biologischem Sojaanbau: www.soja-aus-oesterreich.at
Greenpeace zum teuren Preis des Billigfleischs: www.greenwire.greenpeace.de
Statistik Austria zu Fleischkonsum in Österreich: www.statistia.com
Die Bauernzeitung zur Rekord-Sojaernte 2019: www.bauernzeitung.at
Gentechnisch veränderte Anbauflächen weltweit: www.transgen.de / www.transgen.de
Der WWF zu Gentechnik und Soja: www.wwf.de
Science@ORF.at über die Graswurzeln der Antigentechniker: www.science.orf.at
Amalia Leguizamón: Seeds of Power. Environmental Injustice and Genetically Modified Soybeans in Argentina, Durham 2020.
Kregg Hetherington: The Government of Beans. Regulating Life in the Age of Monocrops, Durham 2020.